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Gastronomie: Wir erden alle umdenken müssen

"Was braucht die Gastronomie jetzt?"

Das Innenministerium unterstützt die Neugestaltung des Landgasthofes „Zum Langsee“ in Süderfahrenstedt mit 690.000 Euro. © Schlüter

Hans-Peter Hansen © Kasischke

Oliver Firla © Schmolze

Schleswig (si) – Kaum eine Branche war und ist durch die Pandemie so sehr gebeutelt wie die Gastronomie. Keine musste in so kurzen Abständen so viele Herausforderungen annehmen, immer wieder neue Überlebensstrategien entwickeln und umsetzen, um dann von heute auf morgen alles wieder „auf Anfang“ setzen zu müssen. Dass nicht alle Betriebe diese Achterbahnfahrt überleben werden, ist zu befürchten. „Was braucht die Gastronomie jetzt?“ lautet daher die Frage, über die sich derzeit viele in der Branche Gedanken machen.

Dazu zählt auch Hans-Peter Hansen, Vorsitzender des Dehoga-Verbandes Schleswig-Flensburg. Grundsätzlich findet er es schwierig, eine fundierte Aussage zu treffen, denn nach wie vor ändere sich nahezu täglich etwas, was dann in Windeseile umzusetzen sei. Angesichts der aufgrund der Delta-Variante gerade wieder steigenden Infektionszahlen könne zudem alles, was sich zuletzt zum Positiven zu wandeln schien, morgen schon wieder Geschichte sein.

Insbesondere die Testpflicht sei ein echtes Handicap für viele Betriebe gewesen, sagt Hans-Peter Hansen, denn während die Akzeptanz bei den Urlaubern relativ hoch sei, hätten die Einheimischen meist wenig Lust, sich vor jedem Restaurantbesuch testen zu lassen. Ein schnelles Mittagessen oder ein spontanes Abendessen würden nicht selten daran scheitern, dass die Teststationen gerade auf dem Land nur auf Termin arbeiten oder zu diesen Zeiten geschlossen sind.

Richtig gut laufe das Terrassengeschäft (ohne Testpflicht). Die Außenbereiche seien meist brechend voll. Wie die Kollegen erzählen, stünden die Leute nach wie vor lieber draußen längere Zeit an, als nach drinnen auszuweichen. „Aber machen wir uns nichts vor: Gerade hierzulande steht die Außengastronomie auf wackeligen Füßen. Das Wetter kann dem Spaß sehr schnell ein Ende bereiten. Wie geht es da im Herbst weiter?“, so die bange Frage.

Die größte Belastung sieht er derzeit beim Personal, das selbst bei sengender Hitze im Außenbereich nur theoretisch auf die Maske verzichten kann: „Bei jedem Gang ins Haus muss sie wieder aufgesetzt werden. Das ist schlichtweg nicht praktikabel“, weiß Hansen. Hinzu komme, dass das Personal nicht selten als „Blitzableiter“ diene, wenn Gäste aus anderen Regionen schlecht informiert anreisen und ihren Unmut über die hier geltenden strengen Regeln äußern. Er hat auch wenig Verständnis dafür, dass gerade in der Gastronomie, die sich früh ein strenges Hygienekonzept zugelegt hat, noch immer viel weniger möglich ist, als etwa im Kino oder im Fußballstadion.

Dass Gastro-Mitarbeiter in andere Branchen wechseln, kann der Dehoga-Vorsitzende angesichts der Umstände ein Stück weit nachvollziehen. „Schon vor Corona war es schwierig, im Dienstleistungssektor Personal zu finden“, sagt er und betont, dass die Dehoga alle Möglichkeiten ausschöpft, um Nachwuchs und Mitarbeiter zu werben.

Oliver Firla (Restaurant Odins Haithabu, Haithabu Café, Wikinger-Schänke Busdorf und OCCO Schloss Gottorf) fordert ein Umdenken auf allen Ebenen und nimmt dabei den Gast selbst nicht aus: „Wer auch in Zukunft gut essen oder stilvoll feiern möchte, sollte bedenken, dass es dafür Menschen braucht, die mit Lust und Leidenschaft in der Küche stehen und den Service leisten können. Das heißt, wir brauchen motiviertes Personal, das gerne am Gast arbeitet. Junge Leute, die eine Ausbildung in der Gastronomie machen, um das Handwerk von der Pike auf zu lernen“, sagt er.

Betriebe, die auf höchster Qualitätsstufe ausbilden können, gebe es hierzulande genug, und mit einem guten Ruf im Gepäck stünden den Fachkräften später auch alle Türen offen. „Wer sich seinen Betrieb aussuchen kann, kann meist beste Konditionen und Arbeitszeiten aushandeln, Fortbildungen nutzen und die Karriereleiter nach oben klettern“, sagt Firla, der neben den Schulabgängern auch Eltern und Lehrer in der Pflicht sieht, der Ausbildung in der Gastronomie eine ehrliche Chance geben. „Und weil die Ansprüche ans Essen inzwischen hoch sind – der Gast legt viel Wert auf regionale Produkte aus nachhaltigem Anbau und eigener Fertigung – müssen wir zudem die kleinen Manufakturen hier vor Ort am Leben erhalten. Da sehe ich dann irgendwo auch die Politik in der Pflicht, die Weichen dafür zu stellen, damit das Gesamtpaket gelingt“, so Oliver Firla.

In Ansätzen funktioniert das auch schon, wie die Förderzusage in Höhe von 690.000 Euro zeigt, mit der das Innenministerium die Neugestaltung des Anfang 2020 aufgegebenen Landgasthofes „Zum Langsee“ unterstützen will. Neben der Wiederbelebung des Gaststättenbetriebes soll in Süderfahrenstedt ein zentraler Treffpunkt entstehen, für Sitzungen, Feierlichkeiten, Kulturabende, Tanz- und Sportkurse sowie Kunstausstellungen. Dafür wird der Saal abgerissen und durch einen modernen Neubau ersetzt, während das Bestandsgebäude energetisch optimiert und barrierefrei gestaltet werden soll.

Dass es Landgasthöfe in diesen Zeiten besonders schwer haben, weiß auch Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack. Das Freizeitverhalten der Menschen habe sich schon vor Corona verändert: „Das Bier zum Feierabend am Tresen des Krugs ist schon lange eher die Ausnahme. Weitere Einschränkungen sind durch die Pandemie hinzugekommen. Ich freue mich sehr, dass wir die Gemeinde bei der Modernisierung ihres Landgasthofes unterstützen können. Das macht diesen auch für einen neuen Pächter attraktiver,“ sagte sie im Rahmen der Bekanntgabe der Förderzusage und verwies auf eine vom Ministerium finanzierte Studie zur Zukunft der Landgasthöfe. Die Ergebnisse und Empfehlungen soll nach der Sommerpause vorliegen.